Montag, 28. März 2022

 

Mein Frühjahrsputz


 

Ostern naht, und damit wurde es Zeit für den Frühjahrsputz. 

Aber Frühjahrsputz kann vielfältig sein. Angefangen bei den Fenstern, wobei es mir durchaus sinnvoll scheint, damit bis nach der Ankunft des Saharastaubes zu warten. Auch die Blütezeit von Erle, Hasel, Eibe und Fichte kann entscheidend sein, will man nicht nach dem Fensterputzen in totale Frustration verfallen. Zugegeben, man sollte mit etwas mehr Gelassenheit durch die Fenster blicken, aber für mich gehören klare Fenster und Ostern irgendwie zusammen.

Eine ganz andere Art von Frühjahrsputz ist bei mir der Wechsel der Saison-Deko. Ich finde es erfrischend, meine Wohnung, das Haus und den Garten österlich herauszuputzen: Hier ein Häschen, dort ein Ei und dazwischen Osterdeckchen und dazu passende Zierpolster, . . .wenn da nicht noch die Wichtel von Weihnachten herumstünden und am Fenster auch noch der rote Papierstern hängen würde, der im Winter ab 17h für 5 Stunden im Fenster leuchtet.

Da bei mir alles seine Ordnung hat, gibt es im Keller einen Kasten, in dem für jede Jahreszeit eine große Schachtel reserviert ist. Blöd ist nur, dass die Dinge nicht von alleine wieder in die richtige Schachtel zurückfinden. Also sammle ich anfangs einmal alles ein was noch irgendwie an Weihnachten erinnert und stelle es einmal in der Nähe des Kastens ab. Bis, ja bis ich mir ein Herz fasse und Frühjahrsputz im Jahreszeiten-Kasten mache. Und das immer in der Hoffnung, möglichst viel davon auszusortieren. Denn eigentlich verwendet man nur einen Bruchteil von all dem was sich da in so einem Kasten ansammelt.

Gesagt, getan, heute war es soweit: Und da ich natürlich keine Ahnung mehr hatte, wo das Weihnachtszeug hingehört, begann ich ganz oben auszuräumen. Aber was fand ich da? Neben einer Papiertasche vollgestopft mit ebensolchen Papier-  und Plastiksackerln, Plastikgeschirr, das man irgendwann für irgendetwas eventuell brauchen könnte, fand ich auch ca. 10 Kuverts mit Urlaubserinnerungen. Schön säuberlich, nach Urlaubsland und Jahreszahl sortiert. Ich nahm sie mit in die Jetztzeit, also nach oben ins Wohnzimmer. Jugoslawien 1974 stand auf einem Kuvert, Spanien 1976, Griechenland 1977 auf anderen . . . Eintauchen in eine andere Zeit, in ein anderes Leben. Damals hatten wir noch keine Kinder – Erinnerungen wurden wieder wach.

So, und was machen wir nun damit? Die Prospekte und Landkarten waren alle unaktuell, man würde sich in Athen sicher nicht mehr damit zurechtfinden. Ausrangieren? Wegwerfen? Nein, das brachte ich dann doch nicht übers Herz. Also suchte ich eine passende Schachtel (wie gut, dass man nicht alles wegwirft) und stapelte all die Erinnerungen hinein. Und ab ins oberste Fach, das nun nicht weniger beinhaltet als vorher, aber mehr geordnet.

Zufrieden räumte ich die Leiter beiseite und schmückte die Palmkätzchen mit bunten Ostereiern, die ebenfalls in einem Karton auf ihre Verwendung warteten.

Samstag, 19. März 2022

 

Es war einmal. . .

  

Soviel sei vorweg gesagt: 
Ich musste mich entscheiden ob ich eine Horrorgeschichte oder ein Märchen schreibe – ich habe mich für das Märchen entschieden.

 

Also, es war einmal ein Zauberer, der wohnte in einem prächtigen Palast.

Überall glänzte das Gold. Auch von den Dächern und Türmen. Innen waren 700 Zimmer, die alle mit prächtigen Kristalllustern, geschliffenen Spiegeln, mit Seide tapezierten Möbeln und wertvollen Ziergegenständen ausgestattet waren. Die großen Säle waren hintereinander angeordnet und durch große Flügeltüren miteinander verbunden. Waren die Türen geöffnet, so erschien die Zimmerflucht doppelt so lang. Es war eben ein herrlicher Palast und alle Gäste waren immer sehr beeindruckt von diesem Prunk. 

Der Palast lag etwas erhöht in einer Stadt, deren Bewohner schon viel Elend erlebt hatten. Aber seitdem der große Zauberer regierte, ging es den Leuten etwas besser. Sie hatten Arbeit und kamen zu solidem Wohlstand. Einige von ihnen wurden sogar Millionäre und konnten sich Jachten, Häuser im Ausland und ein Leben in Prunk leisten. Das gefiel dem Zauberer und er umgab sich gerne mit diesen Leuten. Allerdings hatte der Wohlstand seinen Preis: Man durfte nur sagen und schreiben, was dem Zauberer gefiel. War das nicht der Fall, war das gefährlich und konnte einem das Leben kosten. 

Dem Zauberer aber, war das  egal. Hauptsache er hatte alles unter Kontrolle. Er bewohnte im Palast mehrere Zimmer. Einer dieser Räume war besonders. Dort hing nämlich ein venezianischer Zauberspiegel, den man befragen konnte und der immer mit der Wahrheit antwortete.

Jeden Tag stellte sich der Zauberer vor seinen Spiegel und fragte:

„Spiegel, Spiegel sage mir –

            wer auf diesem Kontinent, ist der mächtigste Regent?“

Und der Spiegel antwortete:

„Ihr Herr Zauberer das ist doch klar, ihr seid der Mächtigste für wahr!“

 

Erst wenn er das hörte, war der Zauberer zufrieden und konnte gut einschlafen.

So ging das mehrere Jahre, denn das Reich war von unvorstellbarer Größe. Es reichte von der Ostsee im Westen quer gegen Osten nach Asien bis zur Beringsee. Viele kleinere und größere Ländereien mit unterschiedlichen Kulturen wurden zu diesem Reich vereint und teilweise mit eiserner Hand zusammengehalten. Es war auch nicht leicht aus diesem Reich zu entkommen, ein „eiserner Vorhang“ verhinderte dies.

Als der Zauberer noch ein Bub war, regierte sein mächtiger Onkel, der ihm versprach, er werde einmal dieses mächtige Reich erben und dürfe dann darüber regieren.

Der Knabe wuchs heran, träumte von Ruhm, Macht und Wohlstand und freute sich auf seine kommenden Aufgaben. Er dachte bei sich, „ich muss trainieren, damit ich stark werde und die Leute mich bewundern und zu mir aufsehen“. Er bewährte sich in verschiedenen Kampfsportarten und errang bereits mit ca. 18 Jahren den schwarzen Gürtel im Judo. 

Außerdem war er schlau! Damit er über alles Bescheid wusste, reiste er in andere Länder und spionierte dort für seinen Onkel. So erreichte das Vertrauen und die Anerkennung von ihm. Zur Belohnung wurde er in die Zauberkünste des Regierens und des Herrschens eingeweiht. Er erhielt immer mächtigere Ämter, bis er der Stellvertreter seines Onkels war.

Die Jahre vergingen . . . Mit der Zeit wurde sein Onkel immer älter und schwächer und es wurde an der Zeit, das Reich an den jungen Zauberer zu übergeben. Ab nun regierte der junge Zauberer, der inzwischen zu einem stattlichen Mann herangewachsen war, das mächtige Reich. Und der Zauberspiegel bestätigte ihm nun jeden Abend vor dem zu Bett gehen, dass er weit und breit der mächtigste Herrscher sei.

 

Aber dann geschah etwas Unerwartetes:

Das große Reich begann zu zerbrechen. Vor allem jene Gebiete, die bisher am Rande des Reiches angeordnet waren, sagten sich los und gründeten einen eigenen Staat. Die einzelnen Völker genossen die neue Freiheit. Die Leute wurden fröhlich und die Länder blühten auf. 

Von dem ursprünglichen Riesenreich blieben zwar immerhin noch zwei Drittel der Größe übrig, aber der Zauberer empfand es als Tragödie von gewaltigem Ausmaß und die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. 

Von nun an antwortete der Zauberspiegel:

„Herr Zauberer, euer Reich ist noch immer wunderbar – und ihr seid der mächtigste Herrscher hier! 

Aber im Westen und im Osten, gibt es mächtigere Herrscher als ihr!“

Das machte den Zauberer sehr wütend. Lange ging er in seinen Gemächern auf und ab und grübelte, wie er es anstellen könnte, sein Reich und damit seine Macht wieder zu vergrößern. Schließlich rief er seine Generäle zu sich und befahl ihnen, eine der schönsten Halbinseln wieder zurück zu erobern.

Überfallsartig annektierte er dieses Gebiet. Hackerangriffe und Cyberkrieg mit einer Troll-Armee folgten. Und weil dies so gut gelang, befahl er, auch die restlichen abtrünnigen Länder zurück zu erobern. Ein schrecklicher Krieg begann. In seiner Wut befahl der Zauberer keine Rücksicht auf die Menschen zu nehmen und alles dem Erdboden gleich zu machen.

Aber die Völker der neuen Staaten wollten ihre Freiheit nicht mehr hergeben. Sie wollten frei und unabhängig sein und nicht mehr unter der drückenden und strengen Herrschaft des Zauberers stehen. Sie leisteten erbitterten und tapferen Widerstand. Viele Frauen flohen mit ihren Kindern  in die Nachbarstaaten. Die Männer blieben zurück und verteidigten ihr Land so gut es eben ging. Sie wussten nicht ob sie sich jemals wiedersehen werden.

Das war sehr traurig, denn viele Familien wurden dadurch getrennt.

Aber alle halfen zusammen. Die, die zurückblieben und auch die anderen Länder Europas und Amerika, halfen so gut es ging. Sie spendeten Hilfsgüter, nahmen die Flüchtlinge auf und versorgten sie.

Die Liebe und die Hilfsbereitschaft gedeihen auch unter schrecklichen Umständen!

 

Und dementsprechend antwortete auch der Zauberspiegel seinem Herrn, wenn er befragt wurde:

„Sag Spiegel, bin ich wieder der Mächtigste hier?“

Der Spiegel aber antwortete:

„Ihr Herr Zauberer seid zwar der Mächtigste hier -

Aber die Liebe dort, ist noch viel größer als ihr!"

 

Dass die Liebe, die Hilfsbereitschaft und Verbundenheit der Leute dort, wo er die Bomben und Soldaten hin sandte, seine Macht und Gewalt zerstörte, das konnte er nicht ertragen.

Wütend schlug er mit der Faust gegen den Zauberspiegel. Der Spiegel zerbarst in viele Teile, die explosionsartig in alle Richtungen flogen. Ein Splitter traf auch den Oberkörper des Zauberers und bohrte sich in sein Herz. Getroffen sank er zu Boden und verblutete.

 

Niemand kam ihm zu Hilfe. Alle waren froh, dass der Krieg zu Ende war. Die Frauen kamen mit ihren Kindern wieder zurück, Familien wurden wieder vereint.

Nun konnte der Wiederaufbau beginnen. Aber wie der Spiegel sagte, die Liebe der Menschen zu ihrer Heimat und die gegenseitige Hilfsbereitschaft halfen auch beim Wiederaufbau mit und alle lebten wieder glücklich und zufrieden.

 

P.S.: Dieses Märchen ist frei erfunden, Ähnlichkeien mit lebenden Personen sind rein zufällig! 
 
Das Titelfoto ist das Deckblatt der Puschkin-Märchen, 
Verlag Eherner Reiter,St. Petersburg 2014