Montag, 28. Juni 2021


 

Von der Zeit

 

Der eine oder die andere Leserin meines Blogs wird sich vielleicht gewundert haben, dass schon seit längerer Zeit kein neuer Beitrag erschienen ist?

Das liegt an der Zeit. An der Zeit die ich in letzter Zeit nicht hatte. Ich war nämlich damit beschäftigt, meine bzw. unsere goldene Hochzeit vor- und nachzubereiten.

Die Zeit der Vorbereitung gab uns auch Gelegenheit über die vergangenen

50 Jahre nachzudenken und zu reflektieren.

50 Jahre!

Das ist ein halbes Jahrhundert! Das muss man sich erst einmal bewusst machen, denn gleichzeitig muss ich gestehen, dass es mir gar nicht so bewusst ist. Denn man lebt das Leben – mein Leben, unser Leben und ist verstrickt in den Alltag. Zuerst der Aufbau des eigenen Haushaltes und des Berufes – eine schöne Zeit, denn wir genossen die Eigenverantwortung und Selbständigkeit vom Elternhaus.

Dann kamen die Kinder! Ich gab meine gut bezahlte Anstellung auf und widmete mich der Familie. Das war damals so üblich. Das hieß aber nicht, dass man „nur den Haushalt schupfte“. Ich frage mich heute oft, wie ich alles unter einen Hut gebracht habe? Haushalt, die Betreuung meiner Mutter, Mithilfe im Kindergarten und Volksschule bei Wandertagen, Schulmilchaktionen, soziale Engagements in der Pfarre und im Umweltbereich und anderes mehr (alles unentgeltlich natürlich).

Zwei Mal in der Woche brachte ich die Kinder in die Musikschule, zum Zeichenkurs und anderen Freizeitaktivitäten.

Dazwischen hatte ich auch Zeit für meine Hobbys. Damals war Seidenmalerei „in“. Ich bewundere heute alle berufstätigen Mütter, wenn sie das alles zusätzlich zum Beruf machen. Hut ab! 

Dann kamen die Jahre meines zweiten Bildungsweges. Sehr bereichernd und Türöffner für meinen Traumberuf, Lehrerin, den ich dann bis zu meiner Pensionierung ausübte. Und bei all dem stand mein Mann neben und hinter mir! Er war es vor allem, der meine Weiterbildungen förderte. Wir planten und schafften vieles gemeinsam.

Das alles ist nicht selbstverständlich und ich bin dem Leben dafür sehr dankbar!

„Was war die schönste Zeit?“ wurde ich einmal gefragt.

Das kann ich gar nicht sagen, denn jeder Lebensabschnitt brachte neue Aufgaben, neue Herausforderungen, neue Eindrücke und neue Menschen als Wegbegleiter mit sich.

In guten wie in schlechten Zeiten versprachen wir uns damals. Gab es schlechte Zeiten auch? Ja, die gab es in Form von Krankheiten. Die letzten 20 Jahre waren geprägt von verschiedenen Krankheiten, die alle meinen Mann betrafen und sicher eine große Herausforderung für ihn, aber auch für mich waren. Aber zum Glück trafen wir immer die richtigen Ärzte zum richtigen Zeitpunkt die uns, bzw. meinem Mann helfen konnten. 

Und was hat sich in den letzten 50 Jahren alles verändert? 

Naja, also ich muss gestehen, dass ich in der Zwischenzeit um 20 kg schwerer geworden bin.😉 Davon abgesehen fanden enorme Fortschritte bei der digitalen Technik statt. Erledigte man damals viele Wege persönlich oder mit Telefonaten, so geht das heute alles mittels Internet. Und die Computer wurden immer kleiner und leichter.

Das Gleiche gilt auch für die Telefonie: Hatten wir zu Beginn der siebziger Jahre noch ein „Vierteltelefon“ zu Hause, so hat heute fast jeder ein Smartphone mit dem man noch viel mehr kann, als nur telefonieren.

Auch die Autos haben sich weiterentwickelt. 1972 fuhren wir mit einem VW-Käfer durch das Kanaltal nach Caorle. Die Autobahn endete zuerst beim Semmering, später vor Klagenfurt. Heute haben die Autos eine Klimaanlage und viele technische Finessen, die lange Fahrten angenehmer und sicherer machen.

All diese Gedanken und Erinnerungen haben mich dazu bewogen, nachfolgenden Text als Einstieg bei unserem Hochzeitsjubiläum auszuwählen. Hier möchte ich ihn als Abschluss meiner Zeitreise bringen:


Von der Zeit

aus „der Prophet“ von Khalil Gibran

Und ein Astronom sagte: „Meister, was ist mit der Zeit?“

Und er antwortete:

„Ihr wollt die Zeit messen, die maßlose und unermessliche?

Nach Stunden und Jahreszeiten wollt ihr euren Wandel richten und sogar den Lauf des Geistes lenken?

Aus der Zeit wollt ihr einen Strom machen, an dessen Ufer ihr sitzt und zuschaut, wie er fließt?

Doch das Zeitlose in euch, ist sich der Zeitlosigkeit des Lebens bewusst und weiß, dass das Gestern nichts anderes ist als die Erinnerung von Heute und das Morgen der Traum von Heute!

Und das, was in euch singt und sinnt, immer noch innerhalb der Grenzen jenes ersten Augenblicks weilt, der die Sterne in den Weltraum schleuderte.

Wer unter euch fühlt nicht, dass seine Kraft zu lieben grenzenlos ist?

Und wer fühlt dennoch nicht, dass die Liebe, obgleich grenzenlos, im Kern seines Seins eingeschlossen ist und nicht von Liebesgedanken zu Liebesgedanken oder von Liebestat zu Liebestat zieht?

Und ist nicht die Zeit wie die Liebe, ungeteilt und ungezügelt?

Doch wenn ihr in eurem Denken die Zeit in Jahreszeiten messen müsst, lasst eine jede Jahreszeit all die anderen umfassen.

Und lasst das Heute die Vergangenheit mit Erinnerungen umschlingen und die Zukunft mit Sehnsucht.“

 

P.S.: Khalil Gibran wurde am 6. Dezember 1883 in Bischarri, im heutigen Libanon geboren. 1895 wanderte er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in die USA aus und lebte zuerst in Boston, studierte später in Libanon die arabische Sprache und in Paris Literatur und Malerei. Nach Beendigung seines Studium ging er zurück in die Vereinigten Staaten und lebte in New York. Dort starb er auch am 10. April 1931. Khalil Gibran war ein christlich-libanesischer Schriftsteller und Maler. Er sah sich als Vermittler zwischen der arabischen und westlichen Kultur. (https://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/GibranKhalil)

Sonntag, 6. Juni 2021

 Der Bockkäfer

Vor vielen Jahren pflanzten wir eine Cotoneasterhecke, die die graue Mauer dahinter verdecken sollte. 

Der Cotoneaster gehört zu den Rosengewächsen und ist ein bodenbedeckendes Gehölz. Seine Blüten sind klein, duften aber sehr intensiv. Im Frühjahr wird unsere Hecke zu einer wahren Insektenweide.

 


Schon wenn man sich ihr nähert empfängt einem der süßliche Duft von abertausenden kleinen Blüten. Außerdem hört man es summen und brummen, obwohl auf den ersten Blick außer den Blüten nicht sehr viel zu sehen ist. Erst wenn man stehen bleibt und den Blick ruhig darüber gleiten lässt, wird die Hecke nach und nach lebendig.

Bienen fliegen von Blüte zu Blüte. Nicht nur Honigbienen, sondern auch die kleineren Wildbienen; verschiedene Käferchen, sowie kleine und größere Fliegen und viele andere mehr.

Die Stars unter den Besuchern aber sind die Bock- und die grün schillernden Rosenkäfer. Dem Rosenkäfer werde ich demnächst einen eigenen Beitrag widmen.

Heute möchte ich euch 

den Bockkäfer aus der Familie der Cerambycideae 

vorstellen.

 


Er ist dunkelgrau bis schwarz, schlank, grazil und seine Fühler sind länger als sein Körper.

Es gibt 20.000 verschiedene Arten von Bockkäfern. Allein in Europa gibt es davon einige 100 Arten. Es ist also kein Wunder, dass ich mir nicht sicher bin ob ich die genaue Bezeichnung „unseres“ Bockkäfers herausgefunden habe. 

Die Lebensweise der meisten Arten ist ziemlich ähnlich. Die Entwicklung der Larven erfolgt in totem oder lebenden Holz. Manche Arten können so zu erheblichen Forstschädlingen werden. Und da Holz nicht sehr nährstoffreich ist, braucht die Entwicklung dieser Larven sogar 2-3 Jahre!

Ich bin aber der Meinung, dass „unser“ Bockkäfer

 Agapanthia villosoviridescens 

heißt. Denn dieser lebt in Hecken und ernährt sich von Blütenpollen. Ihre Larven entwickeln sich in Disteln und Stängeln von krautigen Pflanzen. Er ist also kein Holzschädling!

Und außer, dass die Fühler der Männchen kaum länger sind als die der Weibchen, gibt es keine anderen geschlechtsspezifischen Unterschiede wie bei vielen anderen Käfern. Hier herrscht also weitgehend Gleichberechtigung!

Obwohl die Käfer relativ groß sind (immerhin ca. 5 cm) fliegen sie lautlos. Das einzige Geräusch, das sie machen ist, sie stridulieren, wenn sie sich gestöhrt fühlen oder glauben in Gefahr zu sein. Dabei reiben sie ihre Brustabschnitte gegeneinander und erzeugen dadurch ein schnarrendes Geräusch. 

Das Leben in der Hecke dauert aber nur so lange wie sie von der Sonne beschienen wird. Legt sich der Schatten darüber kehrt wieder Ruhe ein und alles Treiben verstummt bis zum nächsten Tag wenn die Sonne wieder über den gegenüberliegenden Hügel steigt und unsere Hecke bescheint.