Sonntag, 25. Juli 2021

 

In meiner Wiese kriecht der „Günsel“

Ich weiß nicht wie es auf anderen Wiesen aussieht, aber von „Wiese“ kann man wohl in meinem Garten nicht mehr sprechen. Grashalme oder Klee kommen nur verschämt dazwischen durch und von Wiesenblumen, die ich der Insekten wegen bis Ende Juni stehen lasse und dann mit der Sense mähe, sind nicht einmal bodenständige Blätter zu sehen. Alles braun bzw. von der Sonne verbrannt. Doch einem Gewächs scheint das alles nicht zu kümmern. Es kriecht mit oberirdischen Ausläufern zielstrebig in alle Richtungen und macht sich in meinem Garten breit. 

Es ist der „kriechende Günsel“.

Ajuga reptans wird 10 – 30 cm hoch, mit meist blauen oder rotvioletten Blütenständen. Die kleinen spatelförmigen Laubblätter sind gegenständig am Stängel angeordnet sind. Nur die am Boden aufliegenden grundständigen Blätter bilden eine Blattrosette. Der Stängelquerschnitt ist übrigens vierkantig.

Der kriechende Günsel gehört zur Familie der Lippenblütler. Das ist eine sehr große und interessante Familie, die sich erst in der zweiten Hälfte des Quartärs entwickelte. Also in der Evolution der Blütenpflanzen eine relativ junge Pflanzenfamilie ist und es zahlt sich aus, diese etwas genauer zu betrachten:

In einem früheren Blogbeitrag habe ich den Aufbau einer Blüte schon genauer beschrieben. Sie setzt sich aus Kelch- und Kronblättern zusammen. Die Kelchblätter bieten Schutz und wohl auch Stabilität, die Kronblätter dienen zur Anlockung der Insekten. Denn eigentlich dreht sich ja alles um die Fortpflanzung. Und deshalb soll es für die bestäubenden Insekten so einladend wie möglich sein. 

Dazu formen sich bei den Lippenblütlern aus den insgesamt 5 Kronblättern, 2 zu einer „Oberlippe“ und 3 zur „Unterlippe“, die meist auch einen Landeplatz für die Insekten darstellt. Die Staubblätter (männl. Geschlechtsorgane der Blüte) sind am Ansatz mit der „Oberlippe“ verwachsen. 


 

Das Ganze bildet ein ausgeklügeltes System! Denn landet, z.B. eine Biene auf der Unterlippe und streckt ihren Rüssel in den Schlund der Blüte um zu dem Nektar zu gelangen, neigt sich automatisch die Oberlippe herab. Dadurch kommt es zur Berührung mit den Staubgefäßen und der Blütenstaub, bzw. die Pollen werden am Rücken der Biene abgeladen. Unsere fleißige Biene fliegt zur nächsten Blüte. Wenn sie nun ihren Rüssel in den Blütenkelch steckt, streift sie den mitgebrachten Pollen automatisch an der Narbe des Fruchtblattes (weibl. Geschlechtsorgan der Blüte) ab und die Befruchtung kann erfolgen. Raffiniert nicht wahr?

Und wie arrogant wir Menschen doch sind. Bezeichnen wir den kriechenden Günsel doch glatt als Wiesenunkraut. Dabei trotzt er doch der Hitze und Bodenbeschaffenheit und bildet für Bienen und Hummeln eine willkommene Nahrung während der heißen Sommertage.

Wir sollten den Begriff „Unkraut“ überdenken!

 

 

Quellen:

Dieter HESS: Die Blüte, Verlag Ulmer, 2. Auflage

Gerhard BEDLAN: Unkräuter, avBuch 9. Auflage 

Wikipedia


1 Kommentar:

Alex hat gesagt…

Raffiniert, ja!

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