Sonntag, 27. Februar 2022


 


Ist der Frieden selbstverständlich geworden?

Ich wuchs mit den Worten meiner Mutter auf „Nie wieder Krieg!“ Sie hatte zwei Weltkriege mit- und überlebt. Den Ersten Weltkrieg als Kind und den Zweiten als junge Frau. Später meinte sie, der Krieg habe ihrer Generation die schönsten Jahre genommen. 

Als ich in die Volksschule ging hatten wir Heimatkundeunterricht. Der 26. Oktober war „Der Tag der Fahne“. Wir erfuhren im Unterricht, aber auch aus den Erzählungen unserer Eltern, von der Besatzungszeit und der Aufteilung Wiens in vier Besatzungszonen. 1955 erhielt Österreich den Staatsvertrag und erklärte die immerwährende Neutralität! Das Glücksgefühl über den Frieden und die Zuversicht für die Zukunft, den Stolz auf unsere Heimat, all das beinhaltete der „Tag der Fahne“. 

50 Jahre später wusste niemand mehr so recht mit diesem Staatsfeiertag etwas anzufangen. Der freie Tag wurde einer von vielen, den man für Kurzurlaube nützt. Wurde der Friede selbstverständlich und man bemüht sich nurmehr um den Wohlstand? 

Zwischendurch gab es sogar einmal die Diskussion, das Bundesheer und die Neutralität abzuschaffen. Wir wären ohnehin zu klein und zu unbedeutend, um im Weltgeschehen mitzumischen. Was bedeutet Neutralität überhaupt? Nix sehen, nix hören, nix reden? 

Im Gegenteil! Es heißt achtsam sein, beobachten was rundherum aber auch in unserem Land vor sich geht. Es bedeutet eine Meinung zu haben und sie mit friedlichen Mitteln zu vertreten. Es heißt wertschätzend zu diskutieren!

Gerade in letzter Zeit, auch durch die Probleme die die Pandemie mit sich brachte, hatte man manchmal das Gefühl, die Bevölkerung sei in zwei Lager geteilt. Entweder man ist dafür oder dagegen. Die Demarkationslinie durchteilte Freundeskreise und Familien. Radaubrüder und Radikale nützten unsere demokratischen Rechte zur Unruhestiftung! Auch die Sprachkultur ist rauer geworden, denken wir an die Beiträge in den sozialen Netzwerken. Reden und diskutieren wir miteinander! Das ist wichtig! Aber bitte wertschätzend! 

Und jetzt marschiert Russland in einer Nacht- und Nebelaktion in die Ukraine ein. Die Ukraine versucht mit Panzern und Munition, seine Souveränität zu erhalten und zu verteidigen. Ist es wirklich so, dass der Frieden nicht mit friedlichen Mitteln, sondern mit Gewalt verteidigt werden muss? Ist das nicht paradox? Aber wie heißt es doch? „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ (Friedrich Schiller/Wilhelm Tell)

Vielleicht wird uns durch die letzten Tage wieder bewusst, wie kostbar der Frieden in unserem Land ist und wie wertvoll die österreichische Souveränität und die demokratischen Prinzipien unserer Politik sind. Gehen wir sorgsam, aber durchaus selbstbewusst damit um!

 

Titlbild von i-staeulalia.pt

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